Milo Rau wollte wohl keine Tatsachenbehauptung aufstellen, als er in einer auch publizierten Rede meinte, dass ein Mann namens H. C. Strache „morgens das SS-Lied ,Wir schaffen die Siebte Million‘ singt und nachmittags die Gedenkstätte Yad Vashem besucht“. Er dürfte seinen Satz als Metapher gesehen haben. Wiewohl wegen übler Nachrede verurteilt, sollte er in gewisser Weise recht behalten: Just die FPÖ (und nicht die SPÖ oder die ÖVP ) geißelte Raus jüngste Versuche, Zwietracht zu säen, als „israelfeindliche Propaganda“. Diese Unverfrorenheit und von Rau konstatierte Janusköpfigkeit erscheint doch ein wenig bemerkenswert.Damit hat es sich aber auch schon mit der Verteidigung des Intendanten der Wiener Festwochen. Was dieser in den letzten Tagen in die Öffentlichkeit blies, erschreckt. Just rund um den zweiten Jahrestag des Hamas-Massakers publizierte der nur scheinbar unschuldige Schelm aus der Schweiz, die sich in der NS-Zeit nicht mit dem Ruhm der Menschlichkeit bekleckerte, sondern ganz schön an der Judenverfolgung verdiente, einen offenen Brief. In diesem rief Milo Rau Seinesgleichen „zum Widerstand gegen die Kriegsverbrechen in Gaza“ auf. Und er bezichtigte die Israelis des „Völkermords“.Rau hatte jedoch Pech. Denn im deutschen Kulturraum hätte sich keine Zeitschrift gefunden, die bereit gewesen sei, den Aufruf, den er anlässlich der Endproben seines Stücks „Der Brief“ in Rom verfasst habe, zu veröffentlichen. Tatsächlich? Oder hat Rau das nur erfunden, wie Ihr Tratschpartner zu glauben geneigt ist, um weiter Öl ins Feuer zu gießen? Jedenfalls: Der Intendant nutzte in der angeblichen Not die Website seiner Festwochen als Plattform. Zustimmung erhielt er aber in Österreich keine. Eine „Absage“ auf den „Aufruf“ unterzeichneten mehrere Dutzend namhafter Kunst- und Kulturschaffenden, darunter auch Elfriede Jelinek, die erst vor einem halben Jahr bittere Erfahrungen mit dem Selbstdarsteller Rau gemacht hatte, der statt ihres Stücks „Burgtheater“ sein eigenes Kontext-Ding inszenierte.Mit einem Brief reagierte auch der Theatermacher Airan Berg: „Sie haben Ihr Statement gemacht. Aber Sie machen dadurch eine öffentlich geförderte Institution zur Tribüne einer einseitigen Agitation. (...) Im Grunde, denke ich, dass Sie Ihren Hut nehmen sollen.“ Das las die FPÖ gerne – und forderte den „Rücktritt“, weil Rau (mittlerweile mit einem zweiten Brief etwas zurückgerudert) die Festwochen „missbraucht“ hätte.Die Grünen gingen subtiler vor. In einer Anfrage an Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, eine Freundin und Beschützerin Raus, stellt Kultursprecherin Ursula Berner zwölf gefinkelte Fragen: Ist der Brief von Rau dessen Privatmeinung? Wenn ja, warum wurde er auf der Startseite der Festwochen veröffentlicht? Wenn nein: Stellt der Brief die Meinung des gesamten Festwochenteams dar? Und wurde er in Absprache mit dem Aufsichtsrat des Festivals veröffentlicht? Wurden finanzielle Mittel der Festwochen verwendet? Wenn ja, in welcher Höhe? In wieweit steht der Mitteleinsatz im Einklang mit den Förderrichtlinien? Und was wir alle gerne wüssten: „Sieht die Stadt Wien Handlungsbedarf? Wenn ja, welchen?“
Saturday 18 October 2025
kurier.at - 7 hours ago
Milo Raus Festwochen als Tribüne einseitiger Agitation
