Sunday 2 November 2025
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kurier.at - 2 days ago

Schauspielstar Susanne Wuest: „In Österreich wäre ich verhungert“

Susanne Wuest weilt in London. Hier bereitet sie sich auf ein Projekt vor, hier lief auch „In die Sonne schauen“ beim Filmfestival. Wuest liebt den Vibe der Stadt: „Ich bin hier immer sehr glücklich.“ Ihr neuer Film (ab 7.11. im Kino) handelt von vier Frauen aus vier Epochen, die auf demselben Vierkanthof aufwachsen und wie sich ihre Leben gegenseitig spiegeln. Über allem schwebt die Frage, was sich durch die Zeiten in unserem Körpergedächtnis verankert – ohne dass wir davon wissen. Der Film gewann den Großen Preis der Jury beim Filmfestival in Cannes und wurde von Deutschland als Oscar-Kandidat eingereicht.Ihr Film „In die Sonne schauen“ kommt jetzt in die Kinos, beim Filmfestival Cannes hat er bereits einen Preis gewonnen und er wird ins Rennen für die Oscars geschickt. Wie glücklich sind Sie?Sehr glücklich. Ich habe noch nie zuvor in einem Film mitgespielt, der bei den Menschen solche Reaktionen hervorruft. Der Film ist ein Wunder und ein Erlebnis. Mich hat er sehr berührt, die Empathie für die Figuren ist bei mir über das übliche Maß weit hinausgegangen.Woran liegt das Ihrer Meinung?Unter anderem am Thema Trauma. Es ist faszinierend, dass man in der Gegenwart manchmal gegen ein Problem ankämpft, das seinen Ursprung bereits in den Generationen davor hatte, bei Urgroßmutter, Großmutter, Mutter. Erst wenn man das versteht, kann Heilung beginnen.Ein Trauma kann vererbt werden?Es ist eine Sache, das intellektuell begreifen zu wollen, und eine andere, es emotional zu verstehen. Nicht jeder unserer Ticks ist auf das zurückzuführen. Aber es gibt Ängste, die man hat, die ein Echo sind von vor 50 Jahren – wie bei einem Dominoeffekt.Sie spielen eine Frau, die nach dem Tod ihres ersten Kindes aufhört zu sprechen.Im Skript hatte sie noch vereinzelt Dialog. Die Regisseurin und ich entschieden dann, dass ihr das Unglück tatsächlich komplett die Sprache verschlagen hat. Trotzdem gelingt es ihr nicht, ihr Trauma zu ignorieren. Sie muss öfter aufstoßen und verliert die Fähigkeit zu gehen. Beides sind körperliche Reaktionen auf Trauma. Wer sich dafür interessiert, dem empfehle ich die Podcasts des Traumaexperten Gabor Maté zu diesem Thema.MICHAEL DÜRRSchauspielerin Susanne Wuest über generationsübergreifende Phänomene: „Es gibt Ängste, die man hat, die ein Echo sind von vor 50 Jahren“Der Bezugspunkt der Frauen im Film ist derselbe Vierkanthof. Haben Sie einen Platz, der Sie geprägt hat?Ich bin am Land aufgewachsen, in einem großen Haus mit großem Garten. Das hat mich auf gewisse Weise geprägt. Es war für mich als Kind ein zum Teil unheimlicher Ort. Bei Kanalarbeiten hat man unter dem Haus Pferdeskelette gefunden. Wir hatten einen alten Lehmkeller, von dem ein Gang wegging zu einem Bunker, auch dort hat man Skelette gefunden. Dieses Haus war ein sehr mystischer Platz. Durch die geologische Thermenbruchlinie ist es auch immer wieder zu Erdstößen gekommen, wodurch sich das Grundstück, auf dem das Haus steht, auf einer Seite gesenkt hat. All das hat mich als Kind sehr fasziniert.Wie ist Ihre Erinnerung an das Festival in Cannes, als der Film vorgestellt wurde?Das war kein Alltagsmoment! Ich hab zeitgleich gedreht, war fast froh, dass die Welt dafür kurz stillgehalten hat. Cannes ist für mich die Weltmeisterschaft des Kinos, ein Ritterschlag für den Film. Der Trubel war groß. Ich habe in Cannes nicht ein einziges Glas Champagner getrunken, weil der Terminablauf das gar nicht zugelassen hat. Die Tage begannen um 6:30 Uhr, gingen ohne Pause bis spät abends – und an den „freien“ Tagen dazwischen ging es zurück ans Set.MICHAEL DüRRSusanne Wuest: Ich wollte meine eigenen Entscheidungen treffen und die Konsequenzen dafür ausbaden. Dann weiß man wenigstens, wer sie einem eingebrockt hat Schon einmal spielten Sie mit „Antares“ in einem Festivalerfolg. Danach waren Sie allerdings zwei Jahre arbeitslos. Das hat mich erstaunt.„In die Sonne schauen“ ist bereits der vierte Film in 30 Jahren, der für einen Oscar eingereicht wurde und in dem ich mitspielen durfte. „Antares“ war der Erste, damals dachte ich, danach werde es leichter, es kommen Castings und Anfragen. Doch das war nicht der Fall. Volker Schlöndorff hatte es mir prophezeit. Ich habe ihm damals nicht geglaubt, aber er hatte recht. Ich bin dann ans Theater in der Josefstadt und danach nach Deutschland gegangen. Das hat mich gerettet. In Österreich wäre ich verhungert. Ich habe daraus etwas Wesentliches gelernt: Ich verlasse mich nicht mehr auf den Erfolg. Ich freue mich darüber, aber ich ruhe mich darauf nicht aus. Man muss mit den Beinen auf dem Boden bleiben.Sie sind schon mit 15 Jahren von zuhause weggegangen, Ihre Eltern hatten kein Verständnis für Ihre Berufswahl. Hat sich das zum Guten gefügt?Spätestens mit der Josefstadt hat sich ihr Blick auf meinen Beruf geändert. Zuvor ist mein Wille, Schauspielerin zu werden, auf taube Ohren und großen Widerstand gestoßen. Ich wollte meine eigenen Entscheidungen treffen und die Konsequenzen dafür ausbaden. Dann weiß man wenigstens, wer sie einem eingebrockt hat.Dann waren Sie schon sehr früh sehr selbstbewusst und eigenständig.Ja, das ist ein Segen. Ich besitze einen starken Kompass dafür, was für mich funktioniert und was nicht. Und bin bereit, die Konsequenzen zu akzeptieren. Ich bin klar in meinen Entscheidungen und sehr resilient, ich denke, das habe ich von meiner Großmutter Eva. Ich hatte keine Angst damals.Wie sind Sie über die Runden gekommen?Ich habe die Matura gemacht, nachts und am Wochenende bei McDonald’s gearbeitet und gleichzeitig schon im Kleinen als Schauspielerin gearbeitet. Die Freiheit, die ich dadurch gewonnen habe, hat mir eine so unglaubliche Kraft gegeben. Durch sie konnte ich tun, was mich erfüllt. Das wünsche ich jedem: Sich von Dingen loszumachen, die nicht zu einem passen und in seine eigene Haut zu wachsen. Ein Kompromiss wird immer Mittelmaß erschaffen. So aber war es kein Wagnis für mich, sondern eine Befreiung.


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